In der Leipziger Stadtbibliothek wird zurzeit mit einer Lesung und Ausstellung der Schriftstellerin Elisabeth Hering anlässlich ihres 100. Geburtstages gedacht. Die Siebenbürger Sächsin hat fast 40 Jahre bis zu ihrem Tod 1999 in dieser Stadt gelebt und gewirkt. Die in der DDR gern gelesene Autorin hat 24 Bücher geschrieben.
Am 17. Januar 1909 wurde Elisabeth Leicht, die spätere Frau Ackner und schließlich Schriftstellerin Elisabeth Hering in Klausenburg geboren. Bei ihrer Großmutter Leicht, einer geborenen
Thullner. Aber aufgewachsen ist sie in Schäßburg im Haus ihrer Großeltern mütterlicherseits. Und über ihren Großvater, Stadtphysikus Dr. Josef Bacon, den Begründer des Heimatmuseums „Alt
Schäßburg“, kam sie früh mit Geschichte in Berührung. Sie machte bereits im Alter von zwölf Jahren selbständig Führungen im Stundturm.
Die Schrifstellerin Elisabeth Hering (1909-1999) war eine gern gelesene Autorin in der DDR.Kindheitserinnerungen aus Schäßburg und Familiengeschichte hat die hoch betagte Autorin ihren fünf
Kindern gewidmet und auf deren Wunsch geschrieben. Aber auch ältere Schäßburger, die sich noch an Leicht Lieschen erinnerten oder von ihr gehört hatten, haben gerne darin gelesen. Der Weg zu
diesem späten Buch war aber weit.
Noch vor dem Ablegen des externen Abiturs (in Schäßbug war das Gymnasium damals nur den Jungen offen) erfolgte 1927 die Heirat mit dem Schäßburger, dann Hermannstädter Stadtprediger Hans Ackner.
Aus dieser Zeit gibt es einige Gedichte in den Kirchlichen Blättern. 1943 begleitete die junge Pfarrfrau mit den Kindern ihren Mann in das von deutschen Truppen besetzte Galizien, wo er im
Auftrag der Landeskirche als Geistlicher tätig war. Aber diese Zeit endete im November 1944 nach mehrmaliger Flucht in Thüringen, wo Hans Ackner eine Stelle als Gemeindepfarrer erhielt. Bald
wurde das Sowjetische Besatzungszone und später DDR.
Doch das frühe literarische Schaffen, wie ein Gedichtzyklus oder die Novelle „Jakob Reisiger“ (in Anlehnung an den siebenbürgischen Politiker des 19. Jahrhunderts Jacob Ranicher mit
autobiographischen Bezügen) und anderes, blieb nach eigenen Aussagen in der Schublade. 1951 folgt die Trennung von Hans Ackner und 1952 die Heirat mit dem Verlagslektor Walter Hering. Nur das
erste Werk, „Der Oirol“, zwei Liebesgeschichten aus dem alten Korea, ist unter dem Namen Elisabeth Ackner erschienen. Eine Sammlung rumänischer Märchen, Erzählungen und Nacherzählungen gehören
in die frühen Jahre der literarischen Tätigkeit von Elisabeth Hering, die Zeit vor dem Entstehen ihrer historischen Romane. Und auch 1955 das Jugendbuch „Drei Lebensretter“, in der sie anhand von
Entdeckungen aus der Medizin Familiengeschichte und Heimatgeschichte ihrer Vaterstadt Schäßburg schildert.
Siebenbürgen fühlte sie sich immer zugehörig, so stand sie von 1949 bis 1952 in engem brieflichen Kontakt mit dem Schriftsteller Erwin Wittstock. Als 1955 ihre Stoffwahl auf rumänische Märchen
fiel, war sie kurz vor ihrer ersten Besuchsreise in die alte Heimat. Viele Jahre später waren es rumänische Schwänke und Legenden, denen sie sich widmete, auch ein Ausdruck der Verbundenheit mit
dem Land ihrer Herkunft.
Insgesamt hat Elisabeth Hering 24 Bücher veröffentlicht, davon elf kulturhistorische Romane, ein populärwissenschaftliches Buch „Schrieb Noah schon?“, auch bekannt unter dem Titel „Rätsel der
Schrift“, zwei Erzählungen für Kinder, darunter „Der Heinzelmännchen Wiederkehr“ sowie Märchen, Sagen und Schwänke.
Geschichtliche Themen bildeten den Mittelpunkt ihres Schaffens. Spannend, anschaulich und historisch getreu. Die entscheidende Tiefe gewann sie dabei durch die bitteren Erfahrungen des Krieges,
den Verlust der tradierten Wertvorstellungen und der daraus resultierenden Spurensuche in der Vergangenheit. Ihr erster Roman „Südseesaga“ (1956) führt auf die Osterinsel, ihr zweiter „Die Magd
der Pharaonen“ (1959) ins alte Ägypten. Schon in den ältesten Kulturen findet die Autorin das unstillbare Verlangen nach dem „Heil der Welt“. Wo wird es gesucht? Warum immer wieder verspielt?
Fragen der Geschichte nachzugehen, wird immer wieder deutlich. So in den Romanen „Der Diakon von Monstab“, „Ihm zum Bilde“ und „Schatten Gottes auf Erden“, wo der Missbrauch der Religionen
dargestellt wird, der ebenso zu Ketzerverfolgungen und der Verbrennung von Jan Hus führte wie zum Dreißigjährigen Krieg. Doch nicht nur im Christentum hat solcher Missbrauch zu unseligen Folgen
geführt, sondern auch im Islam. Das wird erkennbar am Schicksal Ulug Begs, des Sultans von Samarkand. Er war der größte Astronom seiner Zeit und fiel den Ränken der frommen Derwische zum
Opfer.
Gerade „Schatten Gottes auf Erden“ ist aber auch ein Wegweiser für Toleranz und Verständnis gegenüber anderen Überzeugungen und Lebenshaltungen. Die Palette der Handlungsorte ist breit. Zwei
Namen seien noch genannt: „Zu seinen Füßen Cordoba“ in Andalusien um das Jahr 1000 und „Wolken über Wien“ in den politisch bewegten 1920er und 1930er Jahren.
Elisabeth Hering war eine in der DDR gerne gelesenen Autorin, auch wenn es, neben dem Union-Verlag, nur kleinere private Verlage waren, in denen ihre Bücher erschienen. Und die Auflagenhöhe war
limitiert. Sie musste jahrelang regelrecht darum kämpfen, 1963 in den Schriftstellerverband aufgenommen zu werden. Einige ihrer Werke wurden ins Russische, Ungarische, Rumänische, Slowakische,
Italienische übersetzt. Lizenzausgaben erschienen im Boje-Verlag Stuttgart. 2007 wurde postum „Der Bildhauer des Pharao“ in Tallinn in estnischer Sprache herausgegeben.
In Leipzig schloss sich Elisabeth Hering auch den Quäkern an, deren pazifistische, tolerante, undogmatische Religiosität und deren basisdemokratische Strukturen und soziales Engagement ihrem
eigenen Verständnis am nächsten kamen. Ihr Vermächtnis an die Quäkergeschichte, das Werk „Swarthmoor Hall oder Begegnung mit Margaret Fell“, das im Berliner Union-Verlag erscheinen sollte,
blieb ungedruckt.
Es bleibt zu wünschen, dass mehr Siebenbürger, die heute in der Bundesrepublik Deutschland leben, Zugang zu den Werken von Elisabeth Hering finden.
Richard Ackner, Wilmi Gerber